Humboldt-Universität zu Berlin - Deutsch

Multivariate Modelle

Um Einflussfaktoren auf Motivation und Belastungen multivariat zu beurteilen, wurden entsprechende Regressions-Modelle geschätzt (siehe Abbildungen 53 und 54).

Für das Modell auf Motivation (Abbildung 53) wurde aus den drei Motivationsitems (siehe Abbildungen 41 und 42) ein Motivationsindex (nach der Hauptkomponentenmethode) abgleitet. Dieser Motivationsindex liegt der Abbildung 53 als abhängige Variable zu Grunde. Es zeigen sich deutliche Unterschiede für die Statusgruppen: So sind die Postdocs und Professor:innen signifikant motivierter als Prädocs bei Kontrolle der weiteren Faktoren. Arbeitskulturen mit hohem Grad an Kooperation und Wettbewerb sind ebenfalls mit mehr Motivation verbunden als Arbeitskulturen mit niedriger Kooperation oder mit zwar einem hohen Level an Kooperation, aber gleichzeitig niedrigem Wettbewerb. Hier zeigt sich sehr deutlich, dass Wettbewerb in einem guten Arbeitsumfeld (hohes Kooperationslevel) in einem positiven Zusammenhang zur Motivation steht. Schließlich zeigt sich auch, dass Geisteswissenschaftler:innen gegenüber Sozialwissenschaftler:innen stärker motiviert sind.

 

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Abbildung 53 Multivariates Modell auf die Arbeitsmotivation

Für das Modell auf Belastungen (Abbildung 54) wurde vorab die Skala zu den Belastungen (siehe Abbildung 48) (mit einer Hauptkomponentenanalyse) in einen Stressindex überführt. Dieser Stressindex liegt der Abbildung 54 als abhängiger Variable zu Grunde, womit die Frage beantwortet werden kann, welche Gruppen besonders von den Arbeitsbelastungen, bzw. Stress betroffen sind. Das multivariate Modell zeigt nun, dass der Stress signifikant höher ist bei Frauen und diversen Wissenschaftler:innen, sowie bei Postdocs, verglichen mit Prädocs, aber ganz besonders bei der Gruppe der Professor:innen. Auch die Arbeitskultur steht in einem Zusammenhang mit Belastung. So ist der Stressindex deutlich höher in Arbeitskulturen mit niedriger Kooperation und bei durch Wettbewerb geprägten Arbeitskulturen. Interessanterweise macht auch die Institution einen Unterschied. So sind Wissenschaftler:innen an außeruniversitären Forschungseinrichtungen signifikant weniger von Stress belastet, als solche an den Berliner Universitäten (siehe Abbildung 54). Dies kann auch auf die weit besser bewerteten Rahmenbedingungen an der BR 50 hinsichtlich der Verwaltungsprozesse zurückgeführt werden (vgl. Abbildung 14). Schließlich macht auch die Arbeitsmotivation einen Unterschied: Personen mit höherer intrinsischer Motivation sind ceteris paribus etwas weniger Stress belastet. Der Effekt kann aber auch genau umgekehrt gedeutet werden, dass dauerhafter Stress zum Verlust von intrinsischer Motivation führt. Die Frage der Kausalität lässt sich anhand der vorliegenden (cross-sectional) Daten nicht abschließend klären.

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Abbildung 54 Multivariates Modell auf den Stressindex

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wissenschaft durch ein äußerst hohes Level an intrinsischer Motivation gekennzeichnet ist. Zudem wird die Tätigkeit von fast allen als sinnvoll angesehen. Im Besonderen Professor:innen weisen mit um die 90 % eine positive Einstellung zu ihrer eigenen Arbeit auf. Die deutlich geringere Motivation bei den Postdocs und vor allem bei den Prädocs könnte auf Selektionsprozesse in die wissenschaftliche Laufbahn derart hindeuten, dass die „Motiviertesten“ den oft langen und beschwerlichen Weg gehen.

Die Kehrseite der hohen Motivation ist die hohe Arbeitsbelastung. Das fängt an bei wöchentlichen Arbeitszeiten, bzw. Überstunden, die weit über das hinausgehen, was in anderen Berufsfeldern üblich ist (vgl. IAB 2024). Für die Prädocs ist (unfreiwillige) Teilzeit ein Problem, da Teilzeitverträge sie bei gegebener Arbeitskultur in mehr Überstunden hineinzwingen. So ist die Differenz zwischen geleisteter und bezahlter Arbeitszeit bei den Prädocs in den Naturwissenschaften besonders hoch, während sie in den Ingenieurswissenschaften deutlich geringer ist, da dort Verträge mit höheren Stundenumfängen vergeben werden. Die Arbeitskultur bestimmt wesentlich die wöchentliche Arbeitszeit und zwar stärker als der Vertragsumfang.

Die Vielfalt der Aufgaben und häufig hinzukommende Anforderungen und Erwartungen setzen Wissenschaftler:innen bei ihrer Arbeit unter Druck. Zwei Drittel der Befragten geben an regelmäßig unter zeitlichem Druck zu arbeiten. Fast ebenso viele sagen, dass sie mit der Arbeit im Rückstand sind und mehr als die Hälfte gibt zu, dass sie von der Arbeit erschöpft ist. Man könnte meinen, dass die Postdocs besonders gestresst seien, da sie sich meist (noch) nicht in einer sicheren Position befinden und dadurch stärkerem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sehen. Jedoch weisen Professor:innen noch höhere Belastungswerte auf.

Schaut man sich die Determinanten dieser Belastungen (Stressindex) multivariat an, so wird neben den Effekten von Statusgruppen auch deutlich, dass Wissenschaftler:innen an außeruniversitären Einrichtungen sich deutlich weniger belastet fühlen und Frauen über alle Gruppen hinweg deutlich mehr. Hier besteht eine klare Aufgabe des Hochschulmanagements, die Belastungen durch geeignete Maßnahmen zu minimieren. Auch geben die Arbeitskulturen einen guten Einblick in Möglichkeiten, Belastungsfaktoren zu minimieren. So sind kooperative Arbeitsumfelder ohne Wettbewerbsdruck geeignet, die Belastungen gering zu halten. Vielleicht ist in diesen Arbeitsumfeldern der Umgang miteinander insgesamt rücksichtsvoller und verantwortungsbewusster.