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Wissenschaftliches Personal an der Belastungsgrenze

Diese Nachricht erscheint im Newsletter der BUA im April 2025.



Im Berlin Science Survey wurde untersucht, wie gestresst die Wissenschaftler:innen durch ihre Arbeit sind. Die Ergebnisse sind alarmierend: Gut die Hälfte der Befragten fühlt sich regelmäßig von der Arbeit körperlich oder emotional erschöpft. Mehr als ein Viertel sieht die eigene Gesundheit als gefährdet an. Dies birgt Risiken für die Qualität und Nachhaltigkeit der wissenschaftlichen Arbeit. Politik und Hochschulmanagement müssen sich in der Pflicht sehen, die Rahmenbedingungen zu verbessern. 

Die Arbeitskultur in der Wissenschaft ist geprägt von sehr hoher intrinsischer Motivation und einem hohen Arbeitseinsatz. Im Zusammenhang mit den oft ungenügenden Rahmenbedingungen besteht jedoch die Gefahr, dass die Wissenschaftler:innen an ihre Belastungsgrenzen kommen. Dies wurde in der letzten Welle des Berlin Science Surveys untersucht.

Im Berlin Science Survey 2024 wurde nach konkreten Belastungsfaktoren (so genannten Stressoren) gefragt. Die in Abbildung 1 dargestellten Angaben zu konkreten Belastungen sind hoch und geben somit Anlass zur Sorge. Knapp zwei Drittel der Befragten geben an, regelmäßig, d.h. „oft“ (28,3 %), „sehr oft“ (25,4 %) oder sogar „immer“ (10,7 %) unter zeitlichem Druck zu arbeiten. Fast genauso viele (57,1 %) sehen sich regelmäßig mit der Arbeit im Rückstand. Gut die Hälfte ist aufgrund schlechter Rahmenbedingungen regelmäßig bei der Arbeit frustriert. Gut 50 % geben an, dass sie sich „oft“ (23,1 %), „sehr oft“ (20,9 %) oder sogar „immer“ (7,8 %) von der Arbeit körperlich oder emotional erschöpft fühlen. Diese Zahlen weisen klar auf ein Burnout-Risiko hin. Das scheint jedoch nicht allen Befragten auch unmittelbar bewusst zu sein, denn eine gesundheitliche Gefährdung durch ihre Arbeitssituation sehen nur 26,9 %, was dennoch ein alarmierend hoher Wert ist.

39,6 % geben außerdem an, „oft“, „sehr oft“ oder „immer“ Abstriche im Privatleben aufgrund der Arbeit machen zu müssen. Interdependenzen in der Zusammenarbeit sind für rund ein Viertel belastend: 28,5 % der Befragten können regelmäßig die eigene Arbeit nicht erledigen, aufgrund fehlender Zuarbeiten anderer. Ebenso viele (28,5 %) geben an, regelmäßig Qualitätsabstriche bei der eigenen Arbeit machen zu müssen (siehe Abbildung 1).

Abb. 1 Belastungen bei der Arbeit

Abb. 1 Belastungen bei der Arbeit

Schaut man sich die Ergebnisse getrennt nach Statusgruppen an, so fällt auf, dass die Professor:innen bei zwei Aspekten besonders stark belastet sind (siehe Abbildung 2): 80,1 % geben an, „oft“, „sehr oft“ oder „immer“ unter zeitlichem Druck zu arbeiten und 68,8 % sind „oft“, „sehr oft“ oder „immer“ mit der Arbeit im Rückstand. Auch die anderen Belastungsaspekte treten bei den Professor:innen häufiger auf, als bei Postdocs und Prädocs. Interessanterweise dreht sich das Bild jedoch bei der Frage nach der Erschöpfung durch die Arbeit. Hier geben mit 56% die Prädocs am häufigsten Erschöpfung an; die Professor:innen am seltensten mit 43,2 % (siehe Abbildung 2). Dieser Umstand lässt sich eventuell durch die fehlende Sicherheit der Prädocs bei der Karriereentwicklung erklären. So wissen die Professor:innen am ehesten, wofür sie die Belastungen in Kauf nehmen, während die Prädocs nicht sicher sein können, ob sich die Belastungen irgendwann auszahlen.

Abb. 2 Belastungen bei der Arbeit nach Statusgruppen

Abb. 2 Belastungen bei der Arbeit nach Statusgruppen

Im Geschlechtervergleich zeigen sich durchgängig höhere Belastungswerte bei den Frauen verglichen mit den männlichen Kollegen (siehe Abbildung 3). Lediglich bei der Frage nach dem Rückstand mit der Arbeit zeigen sich keine Unterschiede; hier geben jeweils 57 % der Männer und der Frauen an, dass dies regelmäßig zutrifft. Die diversen Personen geben die höchsten Belastungswerte an. Insbesondere die Belastungen, die die eigene Gesundheit betreffen, sind hier besonders hoch, während die Belastungsfaktoren, die die Qualität der Arbeit betreffen, nicht stark von den übrigen Geschlechtergruppen abweichen.

Abb. 3 Belastungen bei der Arbeit nach Geschlecht

Abb. 3 Belastungen bei der Arbeit nach Geschlecht

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Situation in der Wissenschaft gekennzeichnet ist durch hochmotivierte Wissenschaftler:innen, die unter eher mäßigen Rahmenbedingungen bestrebt sind, Wissenschaft auf einem hohen Qualitätsniveau durchzuführen. Dabei arbeiten sehr viele bis an ihre Belastungsgrenzen, wodurch auch Gefahren für die Qualität und Nachhaltigkeit der erzielten Ergebnisse entstehen. Deshalb ist es auch Aufgabe des Hochschulmanagements, die Belastungen durch geeignete Maßnahmen und Rahmenbedingungen zu minimieren.

Der Berlin Science Survey

Der Berlin Science Survey (BSS) ist eine wissenschaftliche Trendstudie zum kulturellen Wandel in der Berliner Forschungslandschaft. Hierfür erfragt das Robert K. Merton Zentrum für Wissenschaftsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin in regelmäßigen Abständen online die Erfahrungen und Einschätzungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Berliner Forschungsraum. An der jüngsten Studie haben 2.776 Wissenschaftlerinnen des Berliner Forschungsraums teilgenommen. Wir möchten uns herzlich bei allen bedanken, die an der Studie teilgenommen haben. 

Der umfangreiche Bericht mit allen Themen der Befragung findet sich hier:
https://www.berlinsciencesurvey.de/de/ergebnisse2024

Die Daten des BSS der Welle 2024 stehen als Scientific Use File auf dem Open-Access-Publikationsserver der HU zum Download bereit: https://doi.org/10.18452/32547