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Humboldt-Universität zu Berlin | BerlinScienceSurvey | Forschungsqualität im Berliner Forschungsraum ist auf einem hohen Niveau, es gibt aber Abstriche

Forschungsqualität im Berliner Forschungsraum ist auf einem hohen Niveau, es gibt aber Abstriche

Diese Nachricht erscheint im Newsletter der BUA im Dezember 2024.


Der Berlin Science Survey zeigt, dass qualitätssichernde Praktiken weit verbreitet sind. Dennoch führt eine hohe Arbeitsbelastung in der Wissenschaft dazu, dass immer wieder Qualitätsabstriche gemacht werden müssen – besonders in der Forschung.

Der Berlin Science Survey hat einen Schwerpunkt auf die Forschungsqualität gelenkt und nähert sich dem Thema mit der Feststellung von Qualitätssicherungsmaßnahmen. Hierbei wird zwischen fachübergreifenden und fachspezifischen Maßnahmen unterschieden, weil der Grundgedanke besteht, dass nicht jede Maßnahme vor jedem Forschungshintergrund praktikabel ist.

Abbildung 1 zeigt, dass fachübergreifende qualitätssichernde Praktiken routinemäßig vollzogen werden. So geben 89 % der Befragten an, Forschungsergebnisse mit Fachkolleg:innen zu diskutieren. 87,2 % geben an, bei Verlagen mit Peer-Review zu publizieren. Ebenfalls recht weit verbreitet ist die interne Qualitätssicherung (Vier-Augen Prinzip) vor der Einreichung von Manuskripten oder Drittmittelanträgen. Im Fall von Manuskripten praktizieren das 72,3 % der Forschenden, bei Drittmittelanträgen noch immerhin 55,6 %.

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Abbildung 1 Fachübergreifende Maßnahmen zur Qualitätssicherung

Abbildung 2 gibt einen Überblick über die fachspezifischeren Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Das sind Maßnahmen, die derzeit in einigen Disziplinen sehr vorangetrieben werden, aber auch in der übergreifenden Diskussion um Forschungsqualität sehr viel Raum einnehmen, von denen aber fraglich ist, ob sie sinnvoll auf andere Felder übertragen werden können. Während Replikationsstudien bei labor-experimentellen Forschungen sinnvoll sind und typischerweise auch durchgeführt werden, lässt sich die Maßnahme schon auf sogenannte natürliche Experimente nicht eins zu eins übertragen. Null-Results wiederum ergeben sich überhaupt nur bei hypothesentestender Forschung. Die Idee der Pre-Registrierung von Forschungsdesigns stützt sich oft auf stereotype Vorstellungen, wie Forschung abzulaufen hat, so dass genau geprüft werden müsste, wie und ob eine Pre-Registrierung überhaupt sinnvoll innerhalb des jeweiligen Fachs ist.

 

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Abbildung 2 Fachspezifische Maßnahmen zur Qualitätssicherung

Bei den fachspezifischen, d.h. methodenabhängigen, Maßnahmen zeigt sich, entsprechend der Erwartungen, eine deutlich geringere Verbreitung verglichen mit den fachübergreifenden Maßnahmen. Im Fächervergleich zeigt sich sehr deutlich, dass die fachspezifischen Maßnahmen am häufigsten in den Lebens- und Sozialwissenschaften Anwendung finden. Dies hat zweierlei Gründe: Einerseits wird in den Lebenswissenschaften und Teilen der Sozialwissenschaften, häufiger experimentell und hypothesentestend gearbeitet. Gleichzeitig werden in einigen dieser Fächer z.B. in der Medizin, Psychologie und Ökonomie solche Maßnahmen durch Reformbewegungen derzeit gerade sehr vorangetrieben.

Neben den qualitätssichernden Maßnahmen spielen auch die Qualitätsabstriche eine Rolle bei der Einschätzung von Forschungsqualität. Wissenschaftler:innen stehen unter vielfachen Erwartungen und Anforderungen, die sie in ihrer wissenschaftlichen Praxis zu integrieren versuchen. Dabei sind die Wissenschaftler:innen hohen Arbeitsbelastungen ausgeliefert. So geben 28,5 % der Befragten an, „oft“, „sehr oft“ oder sogar „immer“ Qualitätsabstriche bei der Arbeit machen müssen. Abbildung 3 zeigt, in welchen Bereichen die Wissenschaftler:innen Qualitätsabstriche machen. Von denen, die regelmäßig Qualitätsabstriche machen müssen, geben über 80 % an, dies bei der Forschung machen zu müssen. Gleichzeitig sehen sich fast 50 % gezwungen, auch bei Lehr- und Prüfungsaufgaben Qualitätsabstriche zu machen. Bei der Gremienarbeit bzw. akademischen Selbstverwaltung gibt es dagegen seltener Qualitätseinschnitte. Vor dem Hintergrund, dass Forschung und Lehre die Kernaufgaben darstellen und zugleich einen hohen Stellenwert in den eigenen Zielsetzungen der Wissenschaftler:innen haben, ist dieses Ergebnis ziemlich ernüchternd. Es bedeutet, dass die Wissenschaftler:innen gezwungen sind, aufgrund der Fülle der Aufgaben genau bei den Teilaufgaben Qualitätsabstriche zu machen, die ihnen selbst besonders wichtig sind. Das kann ziemlich frustrierend und auf Dauer auch demotivierend sein.

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Abbildung 3 Qualitätsabstriche bei der Arbeit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Maßnahmen zur Sicherstellung von Forschungsqualität bereits auf einem hohen Level umgesetzt werden. Wenn hochschulpolitische Maßnahmen erarbeitet werden sollen, um die Forschungsqualität zu erhöhen, sollten diese weniger bei fachspezifischen Maßnahmen zur Qualitätssicherung ansetzen. Hier würde ein one fits all-Ansatz nur weiteren Druck aufbauen. Stattdessen sollten die Rahmenbedingungen verbessert werden. Hier ist es vorrangig wichtig, die Arbeitsbelastung der Wissenschaftler:innen möglichst gering zu halten, um potentielle Qualitätsabstriche bei der Forschung nicht zu riskieren.

Mehr zum Thema Forschungsqualität sowie viele weitere Themen finden Sie in unserem umfangreichen Bericht:
https://www.berlinsciencesurvey.de/de/ergebnisse2024/bss-2024-forschungskulturen-und-forschungsqualitaet.pdf

 

Der Berlin Science Survey

Der Berlin Science Survey (BSS) ist eine wissenschaftliche Trendstudie zum kulturellen Wandel in der Berliner Forschungslandschaft. Hierfür erfragt das Robert K. Merton Zentrum für Wissenschaftsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin in regelmäßigen Abständen online die Erfahrungen und Einschätzungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Berliner Forschungsraum. An der jüngsten Studie haben 2.776 Wissenschaftlerinnen des Berliner Forschungsraums teilgenommen. Wir möchten uns herzlich bei allen bedanken, die an der Studie teilgenommen haben. Die verschiedenen und teils vielschichtigen Themen der aktuellen Befragung werden in den kommenden Monaten sukzessive ausgewertet und die Ergebnisse veröffentlicht.