Fazit und Ausblick zu Kooperationen
Dieser Schwerpunktbericht zu Kooperationen hat aufgezeigt, dass die Wissenschaftler:innen im Berliner Forschungsraum die Kooperationsfähigkeit hier ganz überwiegend positiv bewerten. 80 % der Befragten sehen im Berliner Forschungsraum eine „eher gute“ (55,1%) oder sogar „sehr gute“ (23,8 %) Kooperationsfähigkeit. Lediglich ein Fünftel sieht den Berliner Forschungsraum hier (eher) schlecht aufgestellt. Die eigenen Kooperationserfahrungen werden ebenfalls von der großen Mehrheit als positiv bewertet. Vor allem die „zentralen“ Qualitätskriterien „Erfüllung der Projektziele“ und „Erfüllung der eigenen Ziele“ werden von 86 %, bzw. 80 % der befragten Wissenschaftler:innen als erfüllt beschrieben. Dennoch geben immerhin ein Fünftel der Wissenschaftler:innen negative Bewertungen zu ihren Kooperationsbeziehungen an.
Das Kooperationslevel im Berliner Forschungsraum ist bereits sehr hoch. Kooperiert wird nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre, Produktentwicklung, und Wissenschaftskommunikation. In der Forschung ist das Kooperationslevel am höchsten: 71 % der Wissenschaftler:innen geben an „häufig“ oder sogar „ausschließlich“ im Rahmen ihrer Forschung zu kooperieren. Lediglich 4,5 % der Befragten kooperieren gar nicht in ihrer Forschung – dies sind fast ausschließlich Promovierende.
Das hohe Kooperationslevel in der Forschung gibt eigentlich keinen Anlass dazu, anzunehmen, dass Kooperationen grundsätzlich noch gesteigert werden müssten. Jedoch würde die Hälfte der Befragten gern mehr kooperieren. Bei den anderen können die Potenziale, Kooperationen zu steigern somit ggf. bereits als gesättigt betrachtet werden. Ein geringer Anteil von 1,6 % möchte gerne weniger kooperieren. Die Kooperationsstrukturen unterscheiden sich teils deutlich zwischen den Fächergruppen. Da die Fächer lediglich Annäherungen an die dahinterliegenden noch viel differenzierteren Forschungskontexte und Fachkulturen sind, ist dies ein Hinweis darauf, dass Forschungskontexte entsprechende unterschiedliche Kooperationsstrukturen entwickeln. Dies ist vermutlich in den meisten Fällen sachgerecht, so dass es hier keiner Steuerung mit dem Ziel bedarf, Kooperationsniveaus oder -strukturen über die Fächer hinweg anzugleichen.
Vergleicht man die Statusgruppen hinsichtlich der zuvor beschriebenen Merkmale zur Kooperation, ergeben sich spezifische Profile mit deutlichen Unterschieden.
Die Professor:innen verspüren einen hohen Erwartungsdruck, interdisziplinäre Kooperationen einzugehen. Gleichzeitig kooperieren sie bereits intensiv und äußern somit deutlich seltener den Wunsch, ihre Kooperationen zu steigern oder auszubauen. D.h. in dieser Statusgruppe kann man durchaus von einer Sättigung ausgehen. Diejenigen, die dennoch gern mehr als bisher kooperieren möchten, wünschen sich verstärkt mehr Partnerschaften innerhalb des Berliner Forschungsraums und international. Mit Blick auf die bisherigen Erfahrungen in Kooperationsbeziehungen geben die Professor:innen bezüglich der Qualität von Kooperationen positivere Bewertungen ab, als Prädocs und Postdocs. Außerdem geben sie vergleichsweise seltener einen Unterstützungsbedarf bei Kooperationsanbahnungen an.
Unter den Prädocs ist die Gruppe derjenigen, die ausschließlich alleine forschen, also in ihrer Forschung nicht kooperieren, am größten, aber auch hier mit ca. 10 % eine deutliche Minderheit. Diejenigen Prädocs, die kooperieren, haben Partner:innen überwiegend innerhalb Deutschlands. Die Einschätzung der Prädocs hinsichtlich des Funktionierens ihrer Kooperationen fällt, verglichen mit den anderen Statusgruppen, schlechter aus. Vor allem die Erreichung eigener Ziele kommt in der Zusammenarbeit häufiger als bei den anderen Statusgruppen zu kurz. Entsprechend wird seitens der Prädocs auch ein höherer Unterstützungsbedarf signalisiert. Es ist anzunehmen, dass Unterstützung hier auch zu einer Erhöhung von Forschungskooperationen führen kann, denn trotz des geringen Erwartungsdrucks in dieser Gruppe, ist der Wunsch nach mehr Kooperationen auch bei den Prädocs deutlich höher.
Die Postdocs stehen hinsichtlich vieler hier betrachteter Merkmale genau zwischen den Professor:innen und Prädocs, wodurch die typischen Rollen im Forschungsprozess und im Berufssystem Wissenschaft widergespiegelt werden. Postdocs forschen faktisch nicht mehr alleine, das Kooperationslevel ist bereits höher und der Unterstützungsbedarf fällt geringer aus als bei den Prädocs. Die Qualität der Kooperationen wird besser eingeschätzt, insbesondere werden die Projektziele und die mit den Kooperationen verbundenen eigenen Ziele häufiger erreicht, wenn auch nicht so häufig, wie bei den Professor:innen. Vor dem Hintergrund, dass der Wunsch nach weiteren Kooperationen auch bei den Postdocs vergleichsweise hoch ist, kann davon ausgegangen werden, dass eine Unterstützung der Kooperationsbemühungen und -aktivitäten dazu beitragen kann, das vorhandene Kooperationspotenzial besser auszuschöpfen.
Im Fächervergleich zeigen sich ebenfalls beachtliche Unterscheide. So weisen die Geisteswissenschaften insgesamt das niedrigste Kooperationslevel auf und einige Befragte aus dieser Fächergruppe geben sogar an, dass sie ausschließlich alleine forschen. Gleichzeitig kooperieren Geisteswissenschaftler:innen am häufigsten mit internationalen Partner:innen. Zudem kooperieren sie auch häufiger mit projektweise wechselnden Partner:innen. Der Wunsch mehr zu kooperieren, ist hier besonders stark ausgeprägt und bezieht sich wiederum primär aufs Ausland. Aber auch der Unterstützungsbedarf ist bei den Geisteswissenschaftler:innen vergleichsweise hoch. Den höchsten Unterstützungsbedarf kommunizieren jedoch die Sozialwissenschaftler:innen. Zu den Auffälligkeiten bei den Sozialwissenschaften gehört auch, dass diese stärker als die anderen Fächergruppen mit Personen aus der Zivilgesellschaft kooperieren.
In stärkerem Kontrast zu den Geistes- und Sozialwissenschaften stehen die Natur- und Ingenieurswissenschaften: In diesen beiden Fächergruppen ist das Kooperationslevel hoch und der bekundete Unterstützungsbedarf niedrig. Die Ingenieurswissenschaftler:innen bekommen die meisten Anfragen für Kooperationen von externen Partner:innen und die Kooperationsbeziehungen sind recht stabil über die Projekte hinweg. Forschung ohne Kooperationen kommt in beide Fächergruppen so gut wie gar nicht vor. Der Wunsch, noch mehr zu kooperieren, fällt entsprechend eher gering aus. Speziell in den Ingenieurswissenschaften wird außerdem häufig mit Unternehmen kooperiert und die Transdisziplinarität ist allein dadurch in diesem Fach am stärksten ausgeprägt. In Kooperationen auch die eigenen Ziele umzusetzen, gelingt in den Ingenieurswissenschaften häufiger nicht. Hier kommen die eigenen Ziele in den Kooperationen manchmal zu kurz und können nicht erreicht werden. Die Lebenswissenschaften ähneln den Natur- und Ingenieurswissenschaften, jedoch werden hier Kooperationen häufiger als in den anderen Fächern aus eigener Initiative angebahnt. Trotz eines ebenfalls bereits hohen Kooperationslevels, ist der Wunsch nach weiteren Kooperationen unter den Lebenswissenschaftler:innen am höchsten. Zugleich äußern die Lebenswissenschaftler:innen häufiger als andere Unterstützungsbedarf bei der Kooperationsanbahnung.
Insgesamt lässt sich aus dem Status- und Fächervergleich ableiten, dass sich etwas größere Potenziale für die Ausweitung der Kooperationsbeziehungen in den Lebens- und Geisteswissenschaften finden lassen. Zugleich ist dieses Potenzial insbesondere bei den nicht promovierten Wissenschaftler:innen hoch. Diese Gruppe hat außerdem einen höheren Unterstützungsbedarf bei der Anbahnung von Forschungskooperationen.
Mit Blick auf Forschungskooperationen ist der Berliner Forschungsraum insgesamt also gut aufgestellt. Es besteht demnach in der Breite kein akuter Handlungsbedarf. Schon gar nicht kann erwartet werden, das allgemeine Kooperationsniveau durch breit angelegte Maßnahmen zu erhöhen. Vielmehr sollte sich eine differenzierte Maßnahmenplanung zur Steigerung des Kooperationspotenzials an den Einschätzungen der Wissenschaftler:innen orientieren. Hier scheint es ein gangbarer Weg zu sein, die die Kooperationswünsche der Wissenschaftler:innen gezielt zu unterstützen. Insbesondere besteht Bedarf an Angeboten speziell für Nachwuchswissenschaftler:innen, die noch wenig Erfahrungen haben und nicht auf ein bereits etabliertes Kooperationsnetzwerk zurückgreifen können. Hier kann Unterstützung bei der Anbahnung von Kooperationen sehr hilfreich sein. Auch weitergehende Unterstützungsangebote, wie bspw. zum Kooperationsmanagement oder zur Selbstbehauptung in Kooperationen, können geeignet sein, die Qualität der Kooperationsbeziehungen zu verbessern.