Vertragsart, Arbeitszeit und Aufgaben
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz und die Art, wie dieses bisher in den Universitäten und Forschungseinrichtungen angewendet wurde, erzeugt bei den Betroffenen große Unsicherheit und hohe Belastungen. Die Vertragssituation macht die schwierige Situation vor allem im Mittelbau deutlich (siehe Abbildung 43). Während 76,6 % aller Professor:innen entfristet sind, sind es nur 34,2 % der Postdocs und lediglich 5,5 % der Prädocs- In jeder Statusgruppe sind diese Zahlen vollkommen anders zu bewerten. Während die „befristeten“ Professor:innen heute zumeist einen Tenure Track haben, gilt das für die Postdocs noch nicht. Für die Prädocs ist die Situation wiederum anders, da der größte Teil von ihnen nach der Promotion nicht im Wissenschaftssystem verbleibt.
Für die Prädocs ist (unfreiwillige) Teilzeit ein größeres Problem. 56 % der Prädocs sind in Teilzeit eingestellt, ebenso wie 26 % der Postdocs (ohne Abbildung). Dies macht sich in durchschnittlich niedrigeren Vertragsarbeitszeiten bemerkbar, die bei Prädocs bei 32 und bei Postdocs bei 36,7 Wochenstunden liegen (siehe Abbildung 44).
Die durchschnittlichen realen Wochenarbeitsstunden liegen weitaus höher. Um die realen Wochenarbeitsstunden adäquat bewerten zu können, müssen sie ins Verhältnis zu den vertraglichen Stunden gesetzt werden. Die Differenz ergibt die wöchentliche Mehrarbeit bzw. Überstunden. Für die Gruppe der Professoren wurde aufgrund der fehlenden vertraglichen Arbeitszeiten ein fiktiver Basiswert von 40 Stunden angesetzt. Abbildung 44 stellt die wöchentlichen Arbeitszeiten, für Postdocs und Prädocs auch die vertraglichen Arbeitszeiten, sowie die wöchentlichen Überstunden dar.
So arbeiten Postdocs durchschnittlich 42,9 Stunden pro Woche und somit durchschnittlich gut 6 Stunden mehr als bezahlt. Bei den Prädocs sind es mit 40 Stunden realer Arbeitszeit pro Woche knapp 8 Überstunden pro Woche (siehe Abbildung 44). Doch die Professor:innen leben die Arbeitskultur mit hohen Wochenarbeitsstunden vor. Sie kommen im Schnitt auf 51,2 Stunden pro Woche und überschreiten damit die klassische 40- Stundenwoche um 11,2 Stunden (siehe Abbildung 44).
Die Situation kann als problematisch betrachtet werden, zumal in der Wissenschaft „Überstunden“ zumeist unbezahlt sind. Sicherlich werden viele die teils entgrenzten Arbeitszeiten auch als Ausdruck von Engagement, guter Motivation und einem hohen Arbeitsethos sehen, jedoch birgt eine solche Arbeitsweise auch Risiken für die Gesundheit und somit die Nachhaltigkeit der Forschung.
Im Fächervergleich auf Ebene der Statusgruppen zeigt sich, dass bei den Professor:innen in den Geistes- und Lebenswissenschaften besonders hohe Wochenstunden gearbeitet werden (siehe Abbildung 45). Hier werden 53,4 bzw. 53,6 Stunden pro Woche gearbeitet. Danach folgen die Professor:innen aus den Ingenieurswissenschaften, die durchschnittlich 51,7 Stunden arbeiten.
Bei den Prädocs haben die Ingenieur:innen die geringsten wöchentlichen Überstunden, was daran liegt, dass hier bereits Verträge mit höheren Stundenumfängen, bzw. viel häufiger auch Vollzeitverträge vergeben werden (vgl. Ambrasat 2021). Vor allem in den Naturwissenschaften gibt es sehr viel Mehrarbeit mit durchschnittlich 12,9 Überstunden (siehe Abbildung 45).
Schaut man sich die Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiedenen Aufgabenbereiche an, so fallen die unterschiedlichen Profile der Professor:innen, Postdocs und Prädocs auf (siehe Abbildung 46). Da Professor:innen deutlich mehr Betreuungsaufgaben, Gremienarbeit und Begutachtungen haben, fällt bei ihnen die Forschungszeit mit unter 25 % am geringsten aus (siehe Abbildung 46). Am meisten Forschungszeit haben die Prädocs in den Naturwissenschaften mit durchschnittlich 62,2 % gefolgt von denen in den Lebenswissenschaften mit 51,7 % ihrer Arbeitszeit. Gleichzeitig übernehmen auch Postdocs und bereits Prädocs Anteile aller anderen Aufgaben. Auffällig ist, dass sich die Arbeitsaufwände für die Lehre gar nicht so stark zwischen den Statusgruppen unterscheiden und das, obwohl die Professor:innen zumeist deutlich höhere Lehrdeputate haben als der Mittelbau. Dies ist sicherlich nur zum Teil mit der, durch Berufserfahrung zunehmenden Effizienz erklärbar. Gleichzeitig ist es ein deutlicher Hinweis darauf, wie die zunehmenden Lehr- und Betreuungsaufgaben an den Hochschulen faktisch verteilt werden. Auch die Managementaufgaben, die je nach Fach und Statusgruppe zwischen 11 % und 20 % der Arbeitszeit einnehmen, fallen bei allen Statusgruppen in ähnlicher Größenordnung an (siehe Abbildung 46). Anders als Forschungszeit, Lehr- und Betreuungszeit, wo eine Zunahme sehr wohl gewünscht sein kann, wäre eine Zunahme der Zeit für Managementaufgaben ein gefährliches Zeichen, welches auf zu viel Bürokratisierung (bzw. „Paperwork“, Graeber 2016) und damit auf Ineffizienz und Innovationshemmnisse hindeuten kann.
Abbildung 47 zeigt, dass Entfristungen bei den Postdocs bisher häufig an spezifische Aufgaben in Lehre und Verwaltung geknüpft sind. Folglich bleibt weit weniger Zeit für Forschung: während die befristet beschäftigten Postdocs 44,5 % ihrer Arbeitszeit für Forschung nutzen können, ist es bei den entfristeten Postdocs nur 27,3 % der Arbeitszeit.